Heute, am 2. Mai wurde an der Zitadelle Spandau trotz der noch nicht ausgestandenen Querelen bezüglich des Tafelinhaltes und -ortes Wladimir Gall als Befreier der Zitadelle geehrt. (Wir berichteten.) Etwa 20 Personen von Parteien und Initiativen waren der Einladung der SPD-Fraktion gefolgt.
Allen war eines wichtig:
Die Verständigung zwischen den Menschen muss gewaltfrei sein.
Sinnbildlich steht dafür die Rede eines der Sprecher der neuen VVN-Regionalgruppe Spandau, Christian Rinke-Emming:
»Wir haben uns heute hier vor der Gedenktafel für Wladimir Gall und Major Grischin versammelt. Gut, dann denken wir darüber nach, wofür die Personen stehen und warum die Tafel so wichtig ist. Dabei spielt es keine Rolle, dass sicher nicht nur diese beiden Personen derer wir gedenken, für die Befreiung der Zitadelle allein verantwortlich waren. In der Geschichte stehen Personen für Ereignisse. Auch der Graf Lynar hat ja die bedeutendste Renaissance-Festung von Europa nicht allein gebaut.
Wir gedenken dieser Personen, um Erkenntnisse aus den geschichtlichen Ereignissen, den Fakten, für die sie stehen, zu erlangen. Was vermittelt uns Wladimir Gall, was bedeutet für uns heute die Befreiung , die kampflose Übergabe der Zitadelle? Die Zitadelle ist ein Bauwerk für den Krieg, also für eine gewaltsame Konfliktlösung, die gezielt das Töten vorsieht. Diesen Status hatte die Zitadelle genau bis zum 2. Mai 1945. Wladimir Gall und Major Grischin stehen mit ihrem mutigen Einsatz dafür, dass Verhandlungen auch mit erbitterten Feinden, auch mit Repräsentanten des unmenschlichsten Regimes der Welt möglich waren. Sie haben damit bewiesen, dass die Vernunft siegen kann. Sie haben vielen Menschen damit das Leben gerettet. Sie haben mit ihrem mutigen Handeln erst ermöglicht, dass die Zitadelle ein Denkmal geworden ist.
Dass dieses vernunftorientierte Denken, und auch das Umsetzen des Gedanken in die Tat nicht selbstverständlich waren, zeigen die Ereignisse vor 71 Jahren ein paar hundert Meter weiter an der Charlottenbrücke. Dort hat der von Haß getriebene Generalmajor Mummert viele Menschen in den Tod getrieben.
Durch die Taten von Wladimir Gall und Wassilli Grischin ist die Zitadelle ein mahnendes Wahrzeichen gegen den Wahnsinn der kriegerischen Konfliktlösung und ein Ort des kulturellen Austausches geworden. Ein Ort der Lebensbejahung. Eingedenk dieser Ereignisse, des Handelns von Wladimir Gall und Major Grischin kann dieser Ort die Erkenntnisse vermitteln, dass nicht Gewalt die Lösung ist, dass nicht die negative Einschätzung, die Ausgrenzung und Stigmatisierung des Gegenüber sondern
die Überzeugung des Positiven, die Verständigung der konstruktivere Weg ist.
Wladimir Gall ist diesem Weg auch in seinem ganzen späteren Leben gefolgt. Er hat sich für die Völkerverständigung eingesetzt. Er hat Freundschaft mit Spandau geschlossen. Die Ehrenbürgerschaft, die er kurz vor seinem Tod erhalten hat, würdigt sein Handeln und seine Verdienste auch entsprechend. Um so unverständlicher ist die Entscheidung der Denkmalbehörde. Die Denkmalpflege soll darauf hinwirken, die historische Substanz mit dem Ziel zu erhalten, um die Information, die diese Substanz enthält, vermitteln zu können.«